Ich empfange eine gesprochene Botschaft und interpretiere diese. Im Idealfall behalte ich darüber hinaus auch den exakten Wortlaut, die Betonung und die in der Stimme mitschwingende Stimmung. Es ist wichtig, flexibel in der Interpretation der Botschaft zu sein. Je mehr Interpretationsmöglichkeiten ich finde, desto besser. Anhand von zuvor Gesagtem oder anhand meines Vorwissens über den Botschafter kann ich eine Interpretation auswählen, die mir am wahrscheinlichsten erscheint. Ich merke mir dann: es wurden diese Worte gesagt, und mein Gegenüber wollte damit wahrscheinlich jenes zum Ausdruck bringen. Aber vielleicht wollte es auch eine von mehreren anderen Interpretationsmöglichkeiten vermitteln. Gut ist, wenn ich dies im Hinterkopf behalte. Anhand des fortschreitenden Gespräches wird es vermutlich irgendwann deutlicher, was mit den gewählten Worten gesagt werden sollte. Dann kann ich mit immer größerer Wahrscheinlichkeit sagen, wie das Gesagte wirklich gemeint war. Während des Gespräches muss ich dann womöglich umdenken und zuvor gesagtes anders interpretieren, damit es zusammen passt mit dem Folgenden. Hinzu kommt, das wir beim Interpretieren schnell mal Wörter hinzudenken, oder auch Wörter weglassen, weil wir glauben sie würden eigentlich dazu gehören oder sie wären nicht wichtig. So kommt eine erstaunliche Bandbreite in die Interpretationen. Im Verlaufe eines Gespräches korrigieren wir ständig zuvor gemachte Interpretationen von zuvor Gesagtem, damit das Gespräch als Ganzes stimmig bleibt und fortgeführt werden kann. Das kann auch mit Rückfragen einhergehen.
Es gibt Menschen, die ein effizientes, maschinenartiges Denken kultivieren. Sie bauen ihr Verständnis von untern nach oben auf, und fügen neu Aufgenommenes stets ganz oben hinzu. Weiter unten etwas zu ändern erscheint ihnen chaotisch und unnötig. Es werden stets eindeutige, sichere Schritte nach vorne gemacht. So kann es stetig weitergehen. Sie erwarten klare, eindeutige Botschaften. Worte haben für sie klare, eindeutige Bedeutungen. Eine Botschaft nicht eindeutig interpretieren zu sollen kommt für sie einer Zumutung gleich, einer Belastung zu ihren Ungunsten infolge von inkompetenten Botschaftern. Wer etwas zu sagen hat, soll sich einfach klar und eindeutig ausdrücken, oder besser schweigen. Sie hören eine Botschaft, finden die für sie einzig sinnvolle Interpretation, merken sich diese und vergessen dann was gesagt wurde. Für sie gibt es keinen Grund, dies nach der Interpretation noch zu behalten, es belegt nur unnötigen Speicher. Häufig läuft das Interpretieren und Löschen unbewusst, und es entsteht die Überzeugung, die Botschaft sei tatsächlich so übermittelt worden, wie das eigene Interpretationsergebnis aussieht. Auch bei geschriebenen Texten bleiben sie oft konsequent bei ihrer ersten Interpretation, auch wenn sie sich nicht mit dem Folgenden verbinden lässt und sie infolge dessen zu dieser Stelle zurückkehren müssen. Wenn eine Interpretation sich mit den in einem Gespräch folgenden Botschaften nicht verbinden lässt, sorgt das für Frust, und es stellt sich einem in dieser Art klar strukturierten Menschen die Frage, warum der Botschafter so einen inkonsistenten Kauderwelsch von sich gibt. Wiederholt der Botschafter dann zuvor gesagtes mit anderen Worten, in der Hoffnung, es so besser verständlich zu machen, so führt dies beim Empfänger zu einer weiteren Interpretation. Es ergibt sich für ihn im Vergleich zu der zuvor gespeicherten Interpretation eine ganz neue und auch inhaltlich andere Aussage. Der Botschafter wird mit dem Vorwurf konfrontiert, nun etwas ganz Anderes gesagt zu haben. Der Botschafter selbst ist jedoch der Meinung, inhaltlich genau das Gleiche mit leicht anderen Worten oder auch nur mit einem anderen Satzbau gesagt zu haben. Beide Seiten sind nun mit dem Verlauf der Kommunikation sehr unzufrieden.
Weil eine Vorstellung sehr konkret ist, kann es leicht passieren, dass wir ein Wort mit einer genauso konkreten Bedeutung verbinden, wenn wir das Wort einer Vorstellung zuordnen und den Begriff dabei überspringen. Wenn wir Begriffe nicht kennen, dann müssen wir eine Verbindung von Worten mit Vorstellungen annehmen, und wir wollen dann, dass alle Menschen die gleichen Vorstellungen haben und mit den Wörtern verbinden. Ansonsten wird die Kommunikation verwirrend und chaotisch. Das Problem ist, dass alle Vorstellungen etwas persönliches sind, das wir individuell aus unserer Erfahrung heraus bilden. Es kann Ähnlichkeiten und Überlappungen geben, aber nur wenn wir Glück haben. Das allgemeine Fundament, auf dem ordentliche Kommunikation basiert, sind Begriffe. Begriffe sind die Ideen hinter den konkreten Dingen, und sie sind universell. Es erfordert Arbeit, einen Begriff zu ergreifen, denn wir müssen ihn mithilfe unserer Intuition finden. Dieser Vorgang wird oft durch die Wahrnehmung einer Umsetzung des Begriffs in der physischen Welt angestoßen. Aber der Begriff ist in dieser sinnlichen Wahrnehmung selbst nicht sichtbar. Wir können die Einheit erkennen, wenn wir den Begriff gefunden haben. Aber es erfordert Mühe, ihn zu finden. Begriffe sind uns zugänglich über zugehörige Begriffe, die wir bereits kennen. Unser Wissen wächst wie ein Netzwerk. Dadurch ist es nicht jeder Person direkt möglich, für eine Wahrnehmung den passenden Begriff zu finden. Es ist bedingt durch die Erfahrung und die Begriffe, die wir schon haben.