Die unfreie Handlung

Unfreie Handlungen dominieren oftmals unser Leben. Wenn wir das ändern wollen, müssen wir ein Verständnis davon entwickeln, wie eine unfreie Handlung zustande kommt. Wir können dazu zunächst eine Handlung als Reaktion auf einen Einfluss von Außen betrachten. So wie ein Anstoß einen Stein zu einer Bewegung zwingt, oder einen Computer zum Abspulen einer Rechenoperation bringt, so kann uns ein Umwelteinfluss zu einer Handlung animieren. Diese Handlung ist dann von Außen bewirkt, und wir haben dabei lediglich die Aufgabe eines Automaten. Dann können wir mit Recht von einer unfreien Handlung sprechen. Betrachten wir also näher, was in uns abläuft, wenn wir reagieren.

Wir können zunächst feststellen, dass unterschiedliche Menschen in der gleichen Situation anders reagieren. Wir müssen den Menschen kennen, um eine gute Prognose seiner Reaktion geben zu können. Alle Fußbälle reagieren ungefähr gleich, wenn ich dagegen trete. Das ist bei Menschen nicht so. Es gibt also ein Element, welches den Menschen individuell reagieren lässt. Wir nennen dieses Element den Charakter. Der Character bildet unsere Triebfedern. Das soll bedeuten, er spannt die Federn, die sich in uns entladen können, die von außen angestoßen werden können. Manche Triebfedern werden direkt durch eine Wahrnehmung aktiviert. Wir sehen etwas, und wir reagieren direkt, teils ohne es zu merken, mit einer Handlung. Dazu gehören die Triebe und der Takt. Manche Menschen sehen eine Spinne und gehen direkt auf Distanz. Andere Menschen sehen ihren Nachbarn und Grüßen. All dies geschieht, ohne das wir darüber nachdenken müssen. Es ist entweder angeborenes oder antrainiertes Verhalten. Es kann auch ein Gefühl sein, welches uns zu einer Handlung treibt. So kann ein Mensch Mitgefühl spüren, wenn er einen anderen Menschen sieht, der etwas braucht und nicht bekommen kann. Dieses Gefühl kann zur Triebfeder des Handelns werden, was uns dazu bringt, dem Menschen zu helfen. Es kann auch Erfahrung sein, die bestimmt, wie wir reagieren. Wurden wir schon mehrfach wegen Sachbeschädigung bestraft, so führt diese Erfahrung womöglich zu einer Änderung im Verhalten und zu einem Verzicht auf weitere Sachbeschädigung.

Wie wir handeln, hängt zusätzlich von unseren Motiven ab. Diese sind der augenblickliche Bestimmungsgrund unseres Handelns. Handeln wir aus Egoismus, dann führen Triebfedern wie Neid und Wut schnell zu destruktivem Verhalten. Wahrnehmungen, die unsere Triebe ansprechen, können dann schnell zu übergriffigem Verhalten führen. Dies ist die unterste Stufe menschlichen Handelns. Sie kann erweitert werden durch die Klugheitsmoral. Dann handle ich nicht direkt so wie es mir im Moment die größte Lust bereitet, sondern denke bereits in die Zukunft. Ich versuche abzuschätzen, wie die Konsequenzen meiner Handlung auf mich wirken werden, und wie ich mittel- oder langfristig eine für mich optimale Wirkung erziele. In einem zweiten Schritt kann ein Mensch sich Verhaltensregeln unterwerfen. Handeln wir Geboten entsprechend, dann müssen wir einen mit den Geboten im Einklang befindlichen Weg finden, um unseren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Wir können dann auch nicht mehr einfach unsere Triebe ausleben. Wir müssen uns dann zügeln und die Triebe auf eine Art ausleben, die mit den Geboten vereinbar ist. In einem dritten Schritt können wir uns noch weiter entwickeln, indem wir nicht bloß gegebenen Regeln folgen, sondern selbst Absichten unterstützen und aus Einsicht handeln. Diese Absichten können zum Beispiel das Wohl der Menschheit oder der kulturelle Fortschritt sein. Handeln wir aus Einsicht, erfordert dies bereits ein rudimentäres Verständnis der gesellschaftlichen Struktur, in der wir leben. Wir müssen uns einen Begriff bilden vom Wohl, oder von Kultur. Dann können wir unser Handeln in den Dienst dieser Absichten stellen. 

Keine aus den oben beschriebenen Triebfedern und Motivarten resultierende Handlung ist frei. Wir haben uns bisher lediglich angeschaut, wie unfreie Handlungen zustande kommen. In einem Verständnis hiervon liegt aber auch bereits der Schlüssel zu einer freien Handlung. Sie ist durch keinen der obigen Mechanismen bewirkt. Sie ist stets begleitet von einer Liebe zur Handlung. Und sie setzt voraus, dass ich mir ausgehend von einer Idee selbst mithilfe meiner Erfahrung und Phantasie eine Vorstellung von meiner Handlung bilde, anstatt gegebene Vorstellungen zu übernehmen oder daraus auszuwählen. 

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