Philosophie, Wahrheit und Politik

Als ich noch jünger war, habe ich keine Relevanz der Philosophie für das Alltagsleben und die Politik gesehen. Die Wirtschaft und das Finanzwesen maximieren ihre Profite, die Politik ist zum einen damit beschäftigt, Subventionen und Regelungen einzuführen und die Steuereinnahmen zu maximieren, zum anderen hält sie die Menschen ausreichend beschäftigt, verängstigt und zufrieden, sodass diese nicht aus der Reihe tanzen und keine Revolution anzetteln. Gleichzeitig versuchen Wissenschaft und Universitäten, alles zu liefern, was von der Wirtschaft oder Politik bestellt und bezahlt wird. Brauchen wir sonst noch etwas, um ein gutes Leben zu leben? Brauchen wir Orientierung oder ein Verständnis davon, wofür das alles gut ist?

Je älter ich werde, desto mehr überzeugt bin ich davon, dass wir dringend mehr Orientierung brauchen. Vielleicht ist es nur mein Eindruck, aber das mangelnde Verständnis resultiert in immer mehr bizarren und extremen Situationen. Wir werden mit Umständen konfrontiert, die unser Interesse an eigenen Entscheidungen herausfordern. Die Lücke zwischen dem vermittelten Eindruck und den tatsächlichen Geschehnissen wird immer größer. Was gesagt wird ist immer öfter das genaue Gegenteil von dem, was getan wird. Es wird immer deutlicher sichtbar, dass die kommunizierten Probleme und Lösungen mehr Illusion als Wirklichkeit sind, und definitiv nicht das ganze Bild enthalten. Die Politik hat in der Vergangenheit schon sehr lange mit diesen Methoden gearbeitet, und der Glaube, dass heute alles anders sei, bricht in sich zusammen.

Wenn die Strukturen der äußeren Welt zu faulen beginnen und immer aggressiver werden, ist es Zeit einen Schritt zurück zu treten. Natürlich sind die meisten von uns in diese Strukturen hineingewachsen und tief darin verwurzelt. Das ist bei mir nicht anders. Ich habe für einige Zeit tatsächlich überlegt, in eine Hütte im Wald zu ziehen, mich dort selbst zu versorgen und das Chaos der Welt hinter mir zu lassen. Aber damit würde ich der Welt nicht viel hinzufügen, ich hätte auch als Eichhörnchen geboren werden können. Ich mag Eichhörnchen und freue mich, dass es sie gibt. Aber ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass ich die Fähigkeiten, die jedem Menschen gegeben sind, umfangreicher nutzen sollte. Wenn ich davon spreche, einen Schritt zurück zu treten, dann meine ich damit, die als Kind und junger Mann gesammelten Glaubenssätze zu hinterfragen. Als Kind nehmen wir die Welt so auf wie sie uns gezeigt wird. Wenn wir älter werden und erwachsen werden wollen, müssen wir uns dieser Glaubenssätze bewusst machen und sie Schritt für Schritt genau betrachten. Wir müssen damit beginnen, die Fähigkeit der Weltbildarbeit zu ergreifen und zu üben. Durch sorgfältiges Aufdecken, Beobachten und Integrieren der Wirklichkeit können wir unser Weltbild entwickeln.

An dieser Stelle kommt die Philosophie in unser Leben. Die Liebe zur Weisheit ist das Fundament für Wissenschaft und Wissen. Der Teil der Philosophie, von dem die allermeisten schon gehört haben, und den wir normalweise als selbstverständlich hinnehmen, ist die Logik. Die Logik ist tief verwurzelt in unserer Art zu denken. Jeder Mensch kann logisch denken, auch wenn einige den Glaubenssatz übernommen haben, dass sie der Logik nicht fähig seien. Ein weiterer großer Teil der Philosophie ist die Erkenntnistheorie. Erkenntnis ist eng verknüpft mit unserem Wesen. Unser Bewusstsein ist definiert durch seine Tätigkeit der Verbindung von Sinneseindrücken mit Begriffen und Ideen, die es in der Welt des Denkens findet. Diese Tätigkeit heißt erkennen. Sich dieser Tätigkeit bewusst zu sein und den Prozess zu verstehen ist die Basis jeder wissenschaftlichen Methode.

Wir nutzen Erkenntnis, um uns ein Weltbild aufzubauen. Ich möchte, dass mein Weltbild der Wirklichkeit entspricht und vermute, du willst das auch. Wir haben alle unser individuelles Weltbild. Erkenntnis ist keine Aufgabe für eine kleine elitäre Gruppe von Wissenschaftlern, sondern Aufgabe und Berufung eines jeden einzelnen Menschen. Dein Weltbild gehört nur dir und du bist dafür verantwortlich. Halte es flexibel und entwickle es so gut du kannst. Sammle Inspiration, aber habe immer den Anspruch, das Gehörte zu verstehen. Wenn du etwas ablehnst, nimm dir Zeit um den Glaubenssatz zu finden, aus dem sich die Ablehnung ableitet. Wenn du diesen Glaubenssatz aufdeckst kommst du vielleicht zu der Erkenntnis, dass du ihn besser ablegen solltest. Wenn du nur Bestätigung für dein Weltbild suchst, wirst du es nicht entwickeln können. Um dich selbst besser kennen zu lernen, finde heraus, was dich daran hindert, die Dinge zu verstehen, die du bisher zu betrachten verweigert hast. Jedes mal, wenn du etwas in dir selbst erkennst, kannst du dein Weltbild der Wirklichkeit ein Stück näher bringen.

Sobald du philosophisch tätig bist, beginnst du dich von einer Spielfigur der Politik zu einem Individuum, einem erwachsenen Menschen zu entwickeln. Du lebst dann dein volles Potential.

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