Schlagfertigkeit und Begriffsarbeit

Die meisten Menschen werden sich wohl schon einmal darüber geärgert haben, in einem Gespräch oder einer Diskussion den eigenen Standpunkt nicht gut genug vertreten zu haben. Im Nachhinein fällt uns ein, was wir hätten entgegnen sollen, worauf wir hätten eingehen sollen, was wir wie genauer hätten erklären müssen. Oder was wir womöglich selbst in dem Moment übersehen oder verwechselt haben. Menschen, die ihre Ansichten auch gegen viel Widerspruch gut vertreten können, bezeichnen wir als schlagfertig. Jeder hat sich wohl schonmal gewünscht, selbst schlagfertiger zu sein.

Schlagfertigkeit kann dazu genutzt werden, eine Wahrheit zu verteidigen, auf ungeklärte Annahmen hinzuweisen, Glaubenssätze aufzudecken, auf logische Fehler hinzuweisen, oder auch unklare Begriffe, mehrdeutige Aussagen oder nichts-sagende Worthülsen zu erkennen. In einem nächsten Schritt können Erklärungen gegeben, Glaubenssätze akzeptiert oder abgelehnt, logische Schlüsse gezogen, Begriffsdefinitionen gegeben und klare Formulierungen gewählt werden.

Schlagfertigkeit kann aber auch ein anderes Vorgehen bezeichnen, bei dem mithilfe von möglichst emotional geladenen Aussagen und auch Vorwürfen von Unzulänglichkeiten in der eigenen Argumentation abgelenkt werden soll. So kann dann eine falsche Behauptung geschützt werden, indem Widerspruch als unangemessen und empathielos dargestellt wird, was dann noch durch die Zurschaustellung von Empörung verstärkt werden kann. Eine noch aggressivere Strategie besteht darin, die sachliche Ebene komplett zu verlassen und die den Widerspruch aussprechende Person anzugreifen; sie als schlecht informiert, unzulänglich qualifiziert oder unprofessionell zu bezeichnen. In diesem Zusammenhang wird dann auch gerne mit Faktenwissen geprahlt und geblendet, indem zum Beispiel Studien und Experten namentlich erwähnt werden, die die eigenen Behauptung zumindest scheinbar unterstützen. Diese Art von Schlagfertigkeit lässt sich in der Öffentlichkeit oft beobachten und ist auch gut dazu geeignet, Lügen und widersprüchliche Maßnahmen zu verteidigen und zu etablieren. Jedenfalls dann, wenn sich das Publikum davon blenden lässt und selbst kein klares Verständnis von der Thematik und den dafür notwendigen Begriffen hat und auch nicht erwerben will. Diese Art von Schlagfertigkeit lässt sich auch erlernen. Darum geht es in diesem Artikel nicht. Es geht aber darum, diese Art von Schlagfertigkeit besser und schneller erkennen zu können, wenn wir damit konfrontiert werden. Dann können wir es vermeiden, uns gegen ablenkende Vorwürfe zu verteidigen, und die Diskussion so auf einer sachlichen Ebene halten oder notfalls beenden. Wenn wir wirkliche Schlagfertigkeit üben, können wir jedes Gespräch und jeden Gedankengang der Wahrheit näher bringen, und lassen uns durch die in diesem Abschnitt beschriebenen Strategien nicht mehr in die Irre führen. 

Oft begründen sich unterschiedliche Ansichten durch unterschiedliche Vertrauenspersonen und -verhältnisse. Menschen, die der öffentlichen oder privaten Berichterstattung mehr vertrauen als sich selbst, übernehmen die darin enthaltenen Behauptungen als gesetzte Wahrheiten. Das die Behauptungen von der Wirklichkeit abweichen könnten, einseitig oder verzerrt sind, oder einen Sonderfall als normal darstellen, oder durch über das Informieren hinaus gehende Interessen geprägt sind, kommt für einen solchen Menschen nicht infrage. Und wenn, dann ist es ein bedauerlicher Einzelfall, ein Fehler, der sich eingeschlichen hat, und kein systematisches Problem. Stehen zwei Aussagen im Konflikt, die über unser tägliches Umfeld hinausreichen und schwer zu überprüfen sind, dann ist entscheidend, wem wir vertrauen. Kommen beide Aussagen von der gleichen Vertrauensperson, dann haben wir ein Problem. Ein gesunder und voll entwickelter Mensch vertraut an erster Stelle sich selbst und seiner eigenen Denkfähigkeit. Wenn er auf Widersprüche stößt, dann hinterfragt er die Behauptungen, die sich widersprechen. Er überprüft sein Denken, sucht Wege der Vereinbarkeit, zweifelt aber nicht an den eigenen Fähigkeiten. Ein gebrochener Mensch hält an den sich widersprechenden Behauptungen fest. Sie kommen schließlich von Menschen, die es wissen müssen und die nur die Wahrheit sagen. Er erklärt die Unvereinbarkeit mit der eigenen Unfähigkeit, die Behauptungen in ihrer Konsequenz verstehen und in Einklang bringen zu können. Dadurch wird das Selbstvertrauen der Person dann weiter geschwächt. Ob ein Mensch glaubt, sowohl eigene Erfahrungen als auch jede Behauptung in ein stimmiges Weltbild einbauen zu können oder nicht, wird meist schon in der frühen Kindheit geprägt. Es ist dann in fortgeschrittenem Alter nur noch schwer zu ändern. Aber es ist möglich. Wir müssen uns dazu entwickeln, den geschützten Raum verlassen, in dem wir als Kind groß geworden sind. Wir müssen dazu akzeptieren, dass die Welt uns fordert, dass wir getäuscht werden und von Anderen im großen Stil im Sinne ihrer eigenen, oft verirrten Interessen manipuliert werden. Das können wir nur akzeptieren, wenn wir das Vertrauen in uns selbst haben, in einer solchen Umgebung aus eigener Kraft zurecht zu kommen.

Ein guter Weg, das Vertrauen ins eigene Denken zu stärken und die eigene Schlagfertigkeit zu erhöhen, ist die Begriffsarbeit. Bei der Begriffsarbeit lernen wir auch, uns von den Vorstellungen, die wir im Laufe des Lebens mit vielen Worten verbunden haben, wieder zu lösen. Wir nähern uns dem dahinter liegenden Begriff und sind wieder offen für Neues. Wir ersetzen beim Lesen eines Textes die Worte nicht direkt mit speziellen, unmittelbar greifbaren Vorstellungen, die sich dann gemäß der im Text gegebenen Anordnung verbinden lassen müssen. Stattdessen suchen wir die Begriffe hinter den Worten, finden die zugehörigen Basisbegriffe, überlegen, welcher Begriff, welcher Aspekt eines Begriffes in diesem Kontext mit einem Wort gemeint sein könnte. Dabei können dann wieder Vorstellungen im Denken auftauchen. Wichtig ist, dass wir ein Wort nicht an einige wenige eigene Vorstellungen festnageln und den Begriff dann darauf reduzieren. Ein allgemeineres Begriffsverständnis ermöglicht uns persönliche Weiterentwicklung, eine Weiterentwicklung der Sprache und auch ein besseres Verständnis anderer Menschen. Die Fähigkeit, andere zu verstehen, und selbst ein allgemeines Verständnis der Begriffe zu haben, das nicht nur an die eigenen Vorstellungen gebunden ist, ist die beste Grundlage für erfolgreiche und schlagfertige Kommunikation. 

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