Wahrheit und Gerechtigkeit

Wahrheit entsteht durch den Menschen. Genauer, Wahrheit entsteht durch Erkenntnis. Auch Irrtum entsteht durch Erkenntnis. Die Wirklichkeit existiert. Sie ist da, und sie ist weder wahr noch falsch. Erst eine Aussage über die Wirklichkeit kann wahr oder falsch sein. 

Unter der Annahme, dass wir in derselben Welt, derselben Wirklichkeit leben, so ist eine Erkenntnis entweder eine Wahrheit oder ein Irrtum. Das ist unabhängig davon, welches Individuum zu dieser Erkenntnis gelangt. Wahrheit misst sich an der Wirklichkeit. Gibt es eine Wirklichkeit, dann gibt es eine Wahrheit.

Haben wir Überzeugungen, die auf Irrtümern beruhen, also falsch sind, dann werden wir mit diesen Überzeugungen sehr wahrscheinlich irgendwann in Konflikt mir der Wirklichkeit geraten. Ein solcher Konflikt lässt sich durch selektive Wahrnehmung erstaunlich lange verdecken. Vielen Menschen gelingt es, bis zum Tod durch selektive Wahrnehmung an falschen Erkenntnissen, Annahmen und Glaubenssätzen festzuhalten. Diese “Fähigkeit” wird begünstigt durch ständige  Ablenkung und Betäubung und auch durch unklare oder verdrehte Sprache. 

Die materialistische Überzeugung, dass ein Mensch nichts weiter sei als ein physischer Körper, führt häufig zu einem scheinbaren Konflikt zwischen Wirklichkeit und Gerechtigkeit. Hinzu kommt oft Unkenntnis bezüglich der Pflege und Erhaltung der menschlichen Gesundheit. Jeder menschliche Körper erfüllt die gleichen Wesensmerkmale, und doch ist jeder Körper ein Unikat. Vergleichen wir unseren eigenen Körper mit einem Ideal, so ergeben sich größere oder kleinere Abweichungen, denen wir ganz unterschiedliche Bedeutung geben. Auch das Ideal ist in ständigem Wandel, und welches Ideal wir zu unserem eigenen machen, ist abhängig von unserem Selbstbewusstsein. Mit einem materialistischen Weltbild und entsprechender Unkenntnis von der Natur des Lebens und des menschlichen Wesens entsteht bei vielen das Gefühl, sie seien mit ihrem Körper gegenüber ihren Idolen benachteiligt und ungerecht behandelt worden. So entsteht eine Ablehnung gegenüber der Wirklichkeit. Wir fühlen uns durch die Wirklichkeit verletzt, weil wir den Sinn hinter unserem Sein nicht kennen. Der Wunsch, in eine künstliche Welt zu flüchten, in der die eigene Erscheinung virtuell ist und beliebig selbst gestaltet werden kann, wird in der heutigen Gesellschaft weitgehend anerkannt und erfüllt, sogar gefördert. Die Pflege eines Avatars ersetzt jedoch nicht die Pflege der eigenen, realen Körper. Wir befinden uns bereits in einer Welt, und wenn wir zu viel Zeit in virtuellen Welten verbringen, dann kann das unsere Entwicklung in dieser Welt behindern. Die Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit ist wichtig.

Jeder Körper ist ein Unikat, und jedes Leben ist individuell. Jeder Mensch befindet sich in dieser Welt mit eigenen Zielen und anderen Aufgaben. Wir haben alle gemeinsam, dass wir Menschen sind und hierher gekommen sind, um uns zu entwickeln. Um Erfahrungen zu machen, um zu erkennen und zu lernen. Um voneinander zu lernen und um davon zu profitieren, dass wir alle eine andere Perspektive auf die Wirklichkeit haben. Der Versuch, das Leben eines Idols nachzuahmen, kann lehrreich sein. Letztendlich sind wir aber hier, um unsere eigenen Aufgaben zu finden. Wenn wir damit beginnen, uns selbst mehr zu beobachten, uns selbst besser kennen zu lernen, dann werden wir feststellen, dass wir alles haben, um unsere Aufgaben zu meistern. Wir sind alle ein wenig verschieden, weil wir alle mit unseren eigenen Aufgaben hierher gekommen sind. 

Die Welt bietet Herausforderungen für uns alle. Auch für die, die scheinbar beste Vorraussetzungen für das Erreichen der gerade gesellschaftlich angesagten Ziele haben. Wir folgen Wegen, die beschrieben werden, erreichen Ziele, die angepriesen werden, und bekommen doch nicht die Zufriedenheit, die wir uns erhofft haben. Zufriedenheit kann nicht gefordert werden als Belohnung für das Erfüllen von Erwartungen oder das Erreichen angepriesener Idealzustände. Zufriedenheit erlangen wir nur, wenn wir uns selbst erkennen und unsere eigenen Aufgaben für unser eigenes Leben finden und leben.

Eine Wahrheit gesagt zu bekommen, kann im ersten Moment verletzend sein. Es erfordert Selbstbewusstsein, mit der eigenen Individualität und den uns gegebenen Bedingungen zurechtzukommen. Es erfordert Kraft, das eigene Weltbild zu korrigieren. Es erfordert auch Zeit und Hingabe, die Möglichkeiten zu erkennen, die sich durch Besonderheiten ergeben, die wir womöglich zuerst als Benachteiligung beurteilen. Was für unser Leben Erfolg bedeutet, sollten wir bewusst selbst entscheiden, und nicht von anderen übernehmen. Niemand hat besseren Zugang zu meinen Aufgaben als ich selbst, und die Bearbeitung meiner Aufgaben ist mein Erfolg.

Ein selbstbewusster Mensch kann nicht durch die Wirklichkeit verletzt werden, nicht durch Wahrheiten und nicht durch Fakten. Ein selbstbewusster Mensch kann einen Konflikt zwischen Gefühl und Logik auflösen. Das kann jedoch Zeit und Arbeit erfordern. Die Logik ist ein mächtiges Werkzeug, mit dem wir zu jeder Annahme methodisch korrekte Schlussfolgerungen ziehen können. Geraten wir mit diesen in Konflikt zur Wirklichkeit, sollten wir die Annahme überprüfen. Auch wenn wir ein schlechtes Gefühl, ein schlechtes Gewissen haben mit den Ergebnissen unseres logischen Denkens, sollten wir zu den Annahmen und Glaubenssätzen vordringen, mit denen unser logischer Gedankengang beginnt. Dann werden wir erkennen können, ob das Gefühl aus uns selbst heraus kam und berechtigt ist, oder von außen bewirkt wurde und womöglich fremden Interessen dient. Wir dürfen weder die Logik noch das Gefühl einfach ablehnen. Wir brauchen beides, um Orientierung zu finden. Einen ersten Einblick in die Stärkung des Selbstbewusstseins liefert der vorige Artikel.

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