Was ist ein Zweck?

Es herrscht häufig die Annahme, alles sei für etwas anderes da. Die Bienen seien da, um die Pflanzen zu bestäuben, die Pflanzen seien da, um die Tiere zu ernähren, die Pflanzen und Tiere seien da, um die Menschen zu ernähren. Allem wird ein Zweck, eine Bestimmung gegeben. Das führt aber letztlich zu nichts oder zu einem zweckbasierten Verständnis von Gott, für dessen Ziele und Absichten alles vorhanden ist und gemacht wird. 

Diese Ansicht rührt daher, dass Menschen ihre Handlungen häufig mit einer Absicht tätigen. Die menschlichen Handlungen dienen also oft einem Zweck, und sei es nur um Geld zu bekommen. Dieses Prinzip wird dann übertragen auf den Rest der Welt, und es wird hinter allen Erscheinungen und Ereignissen der Zweck gesucht. So lässt sich eine lange Kette bilden, was wofür da sei. Diese Kette endet aber entweder nie oder in der Spekulation. Wir können nur unsere eigenen Absichten direkt erleben. Was ein möglicher Schöpfer bei der Schöpfung für Absichten gehabt haben könnte, ist für uns nicht wahrnehmbar. 

Die Natur wirkt und erschafft im Überfluss. Ob ein Same zu einer Pflanze wird, zu Nahrung wird, oder verrottet und zu Erde wird, scheint der Natur gleichgültig zu sein. Es lässt sich jedenfalls nicht beobachten, dass es eine Absicht gibt, jeden Samen zur Pflanze wachsen zu lassen. Wir können uns denken, dass das nicht funktionieren würde. Obwohl ein Same das Potential zur Pflanze hat, scheint es der Natur gleichgültig, ob dieses Potential für einen einzelnen Samen zur Anwendung kommt. Ein Same kann viele Wege gehen, die wir als nützlich betrachten würden, auch wenn sie weit unter seinem Potential liegen. Viele Menschen hingegen wünschen sich, dass jedes von ihnen geschaffene Ding für den angedachten Zweck verwendet wird. Ansonsten sprechen wir von Verschwendung, und das durchaus mit Recht.

In der Natur herrscht das Gesetz von Ursache und Wirkung, dessen Ausleben wir Menschen mit den Naturwissenschaften erforschen und beschreiben. Dabei verursacht stets eine Ursache eine darauf folgende Wirkung. Diese Wirkung kann wieder als Ursache zu weiteren Wirkungen führen, die noch weiter in der Zukunft liegen. Für diese Kette an Ereignissen braucht es keinen Zweck, sie läuft einfach ab.

Warum sucht der Mensch also für alles einen Zweck? Warum akzeptiert er nicht, dass die Welt eine lange Abfolge von Ursache und Wirkung ist, die sich entsprechend den Naturgesetzen entfaltet? Das alles die Folge einer vorangegangenen Ursache ist, und sich in notwendiger Bestimmtheit fortsetzen wird, bis alle Differenzen ausgeglichen sind und die Entropie ihr Maximum erreicht hat? Diese Überzeugung wäre nur konsequent für Menschen, die ein materialistisch-atheistisches Weltbild pflegen.

Wenn wir uns selbst beobachten, so können wir feststellen, dass der Zweckbegriff für den Menschen völlig berechtigt ist. Wir vollbringen sicherlich auch Handlungen als direkte Reaktion auf eine Ursache. Und es gibt Menschen, die behaupten, jede menschliche Handlung sei bewirkt durch eine Ursache, wie die Bewegung eines Steins im Wald. Wenn wir uns jedoch genauer betrachten, so werden wir beobachten können, dass wir darüber hinaus noch auf andere Art zum Handeln angetrieben werden. Wir können nämlich mit unseren Handlungen eine Absicht verfolgen und dann zweckmäßig handeln. 

Wieso können wir das, und wie kommen wir zu unseren Absichten? Sind dann womöglich unsere Absichten bloße Reaktionen auf Einflüsse von Außen? Um eine Absicht zu verfolgen und zweckmäßig zu handeln, ist es notwendig, eine Vorstellung bilden zu können. Dazu ist jeder Mensch in der Lage. Wir haben gesehen, dass die Zimmerpflanze ihre Blätter hängen lässt, wir haben erkannt, dass dies auf den ausgetrockneten Blumentopf zurückzuführen ist. Also gießen wir die Pflanze mit der Absicht, sie am leben zu halten. Ohne die Vorstellung einer vertrockneten Pflanze würden wir nicht auf die Idee kommen, diese zu einem bestimmten Zweck zu gießen. Genauso können wir, wenn wir es leid sind, schwere Säcke zu schleppen, zum Baumarkt fahren und eine Schubkarre kaufen. Wir tun dies, weil wir eine Vorstellung haben, wie wir in der Zukunft mit dieser Schubkarre die Säcke viel einfacher ans Ziel bringen. Diese Vorstellung einer zukünftigen Handlung, oder eines zukünftigen Zustandes, ist die Ursache unserer jetzigen Fahrt zum Baumarkt. Die Vorstellung ermöglicht es uns, zukünftiges zur Ursache unseres jetzigen Handelns zu machen. Durch diese Fähigkeit sind wir in der Lage, zweckmäßig zu handeln. 

Ob wir frei handeln können oder nur reagieren, hängt also damit zusammen, wie wir unsere Vorstellungen bilden. Auf die Vorstellung ist in einigen Artikeln bereits eingegangen worden, und wir werden sicherlich nochmal darauf zurückkommen, wenn es um unsere Absichten und unsere Freiheit geht. Wichtig ist, dass Zweckmäßigkeit auf unser Vorstellungsvermögen zurückgeht und eine Besonderheit menschlicher Handlungen ist. 

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