Die Wirkung der Medien

Wenn heute über Medien gesprochen wird, und über ihren Einfluss auf den Menschen, dann werden viele wohl zuerst an die sozialen Medien und ihren Effekt auf die Kinder und jungen Menschen denken. In diesem Artikel möchte ich jedoch einen Schritt zurück gehen, und auf die Wirkung von Zeitung, Radio und Fernsehen auf die jetzt schon ältere Generation eingehen. Darüber wird seltener gesprochen, obwohl diese Medien ebenfalls eine erhebliche Wirkung auf die Menschen hatten und haben, für die noch immer kein allgemein verbreitetes Verständnis vorhanden ist. 

Es wird gerne zu bedenken gegeben, dass die modernen sozialen Medien eine Ablenkung darstellen von einem direkten Kontakt mit Mitmenschen; dass sie eine verzerrte Selbstdarstellung ermöglichen und sogar fordern, und ihre Nutzer mit unrealistischen Schönheits- und Erfolgsidealen konfrontieren. Beides ist bereits durch Film und Fernsehen zu einem realen Problem geworden. Mit dem Fernseher oder der Zeitung lässt sich zudem nicht diskutieren. Es wird auch kein Gespräch zustande kommen. Diese Medien liefern uns lediglich ein Programm. Sie informieren uns. Sie bringen uns in Form. Es ist ein vollständig einseitiger Informationsfluss. Was passiert nun mit dem Menschen, wenn er das konsumiert?

Wir Menschen verarbeiten die Dinge, die wir wahrnehmen. Wir wollen alles, was unsere Sinne uns an Eindrücken liefern, einordnen. Unbekannte Geräusche beunruhigen uns. Unbekannte Gerüche beunruhigen uns. Ein unbekannter Geschmack im Essen wird uns ebenfalls beunruhigen, wenn er nicht von einem Koch angekündigt wird, dem wir vertrauen. Unbekannte Dinge in unserem Sichtfeld beunruhigen uns. Zum Glück kennen wir fast alles, was uns täglich in der realen Welt begegnet, sodass wir ruhig bleiben können. Es wird für manche sogar schon zu langweilig. Und an dieser Stelle kommen der Fernseher und das Kino zum Zuge. Im Film begegnen uns wieder neue, unbekannte Dinge. Im Film ist die Spannung, die Aufregung, die wir im ereignislosen Alltag schon mal vermissen können. Unsere Jobs, unser Leben ist monoton geworden, und die Unterhaltungsindustrie schafft die Ersatzbefriedigung vor der Leinwand. 

Das ist auf mehreren Ebenen ein Risiko, eine Gefahr für unsere körperliche und geistige Gesundheit. Zum Einen führt die ganze Aufregung, während wir still auf einem Sessel sitzen, zu einer sehr einseitigen Beanspruchung des Körpers. Unser Körper reagiert auf alle möglichen Emotionen, ohne sich bewegen zu können. Zudem sind wir bloße Konsumenten, lassen unsere Gefühle durch die Musik leiten, werden zu Sympathie und Abneigung animiert. Es kann passieren, dass wir nach dem Film plötzlich Verständnis haben für ein Verhalten, das wir zuvor scharf verurteilt hätten. Genauso kann es passieren, dass wir einen Hass entwickeln gegenüber bestimmten Gruppen, über die wir vorher keine Meinung hatten. Filme können ihre eigene Realität erschaffen, und auch ein verzerrtes Bild einer realen Situation zeigen, das dann womöglich unser Verhalten in der echten Welt beeinflusst. Und das gilt nicht nur für Filme, sondern ganz besonders auch für die Nachrichten.

Bei den Nachrichten kommt erschwerend hinzu, dass viele Menschen sie für eine Repräsentation der echten Welt auf dem Bildschirm halten, die sie sich anschauen müssen, damit sie wissen, was in der Welt passiert. Zu wissen, was in der Welt passiert, betrachten sie als ihre bürgerliche Pflicht. Gezeigt wird aber nur ein winziger Ausschnitt dessen, was in der Welt passiert. Oft werden Dinge gezeigt, die wir im realen Leben nie mitbekommen hätten, weil sie so weit weg sind von uns. In anderen Städten, anderen Ländern, auf anderen Kontinenten. Was gezeigt wird und was nicht, wie wird das entschieden? Oft wird über Wochen und Monate über etwas berichtet, als ob es nichts wichtigeres gäbe, und dann passiert etwas anderes, und plötzlich hört man nichts mehr von der vorigen Geschichte. Und was hat es gebracht? Haben wir eine Lösung gefunden für das, was vorher die Berichterstattung dominierte? Hat es zur Lösung beigetragen, dass uns täglich vom Problem erzählt wurde? Hatten wir überhaupt eine Chance, dazu beizutragen? Sollen wir Geld spenden, wenn es irgendwo ein Erdbeben gab, weil die dortigen Versicherungen überfordert sind oder weil die Menschen dort nicht versichert sind? Sollen wir Waffen liefern, damit noch schneller noch mehr Menschen getötet werden können, wenn wieder mal ein Krieg begonnen wird? Oder Geld spenden für Diplomatie? Oder selbst hingehen und kämpfen, oder zu schlichten versuchen? Oder auf die Straße gehen und gegen den Krieg protestieren? Warum werden wir mit so vielen Problemen und Konflikten konfrontiert, zu denen wir nicht direkt selbst beigetragen haben?

Wenn wir mit diesen Dingen konfrontiert werden, dann bewirken sie eine Reaktion in uns. Wir reagieren emotional, wir reagieren mit Gedanken und Gefühlen. Viele Menschen fühlen sich schlecht, nachdem sie die Nachrichten geschaut haben. Meine Oma war immer ganz fassungslos, wie furchtbar doch alles ist in der Welt, nachdem sie die Nachrichten geschaut oder gehört hatte. Gebracht hat ihr das nichts Gutes, aber die Nachrichten einfach nicht zu schauen kam auch nicht in Frage. Zu groß war das Pflichtgefühl, sie anschauen zu müssen. Es kostet uns Zeit und Kraft, die Nachrichten zu verarbeiten. Manche Menschen sind weniger sensibel, die Nachrichten perlen an ihnen einfach ab. Aber viele Menschen sind sich wahrscheinlich gar nicht bewusst, wie viel ihrer Kraft sie dafür aufwenden, die Nachrichten zu verarbeiten. Wie sehr es ihre Stimmung verdunkelt. Da wir keine unbegrenzte Menge an Zeit und Kraft haben, und zwischen dem oft regelmäßigen Nachrichtenkonsum meist nur wenig Zeit liegt, bleibt dann entsprechend weniger Energie für die Herausforderungen des eigenen Lebens, für die Aufgaben im direkten Umfeld, für die eigene, individuelle Entwicklung. All diese Dinge werden vernachlässigt, wenn unsere Gedanken um Probleme kreisen, die der Fernseher uns präsentiert hat, zu denen wir aber sonst meist keinen Zugang haben und die wir deshalb auch nicht lösen können. Die Vernachlässigung beginnt oft schon so früh und dauert über einen so langen Zeitraum, dass wir uns gar nicht mehr im Stande sehen, die eigenen Probleme anzugehen, und lieber vor ihnen flüchten. Dann werden wir abhängig von der ständigen Ablenkung, und wir lassen uns von ihr lähmen.

Hierzu passend ist auch dieser Artikel über den Energiehaushalt des Menschen.