Nicht alle Menschen geraten in Konflikt mit der Gesellschaft. Manche Menschen leben ein zufriedenes, erfülltes Leben. Sie handeln so, wie sie es für richtig halten, und kommen gut mit ihrer Umgebung und den Menschen um sie herum zurecht. Andere Menschen sind geplagt von einer anhaltenden Unzufriedenheit mit der Gesellschaft, beklagen Missstände, und stören sich am Verhalten anderer Menschen. Beide Seiten werden mit Nahrung reichlich versorgt. Es gibt viel in der Gesellschaft, was gut funktioniert, und es ist möglich, eine gutes Leben zu leben. Das fällt besonders den Menschen leicht, die sich nicht so schnell verwirren lassen, nicht jede Ideologie bis in die letzte Konsequenz übernehmen oder durchdenken, und die sich grundsätzlich wenig mit Trends und Denkweisen beschäftigen, die sie ablehnen. Es gibt aber auch viel, was weniger gut läuft, und es ist eine erhebliche Zahl von Menschen damit überfordert. Davon sind einige stärker betroffen, entweder direkt selbst oder auch durch ihr Umfeld, und dann nimmt diese Tatsache viel Raum und Energie ein im Leben dieser Menschen.
Menschen, die ihr Leben selbst gestalten, viel selber kreieren, und wenig “Fertiges” konsumieren, sind nicht so sehr von den Trends in ihrer Umgebung abhängig. Das bezieht sich natürlich nicht nur auf das Essen. Sie wirken mehr auf ihre Umgebung, als ihre Umgebung auf sie. Wer sein Schicksal und womöglich das von anderen Menschen um sich herum als durch die Gesellschaft geprägt erlebt, kann sich einer belastenden Umgebung ausgesetzt fühlen, welche das Wohl der Menschen negativ beeinflusst. Wenn ich erlebe, wie Menschen durch ihre Umgebung, durch ihre als Kind erfahrenen Prägungen im Leben nicht nur gefordert, sondern schlussendlich überfordert werden, dann ist es verständlich, dass ich die gesellschaftlichen Zustände als inakzeptable Belastung bewerte, die geändert werden müssen. Ich beschäftige mich dann womöglich viel mit den Zuständen, die bei Menschen zu einer Überforderung führen können. Ich klage die Zustände an, und ich fordere dann womöglich von allen Mitmenschen um mich herum, dass sie zu einer Umgebung beitragen, in der niemand mehr überfordert wird. Verständnis dafür, dass manche Missstände für andere Menschen keine so tiefgehende Bedeutung haben und keine unverzügliche Beseitigung erfordern, ist dann schwer aufzubringen.
Es ist nicht abzustreiten, dass es den Menschen zurzeit nicht leicht gemacht wird. Viel Wissen über das Leben und den Menschen ist aus dem Alltag verdrängt worden, und es wird über die offiziellen Institutionen wie Schule und öffentliche Medien keine Hilfe angeboten, selbst Orientierung zu erlangen. Wir werden zugeschüttet mit Informationen und Wahlmöglichkeiten, mit aussichtslosen Lösungsansätzen und Axiomen, die uns vom Wesentlichen fern halten. Dass wir mehr sind als die Summe unserer physischen Bauteile, dass müssen wir selbst bemerken. Wer wir sind, das müssen wir aus eigenem Antrieb ergründen, und dazu müssen wir infolge von eigenem Interesse selbst nach Hilfe suchen; im Moment noch häufig abseits der großen Institute.
Wir haben mithilfe der Naturwissenschaft viel erreicht, und wir bauen eine erstaunliche Vielfalt an Werkzeugen, Gebäuden, Maschinen, Infrastruktur und Nahrung. Es beginnt nun auch die Zeit, in der immer mehr Menschen sich damit beschäftigen, den menschlichen Körper umzubauen oder mit menschengemachter Technik zu verbinden. Aber wir haben das Wissen über uns selbst, welches uns in früheren Zeiten noch gegeben war, im Wesentlichen vergessen. Wir haben es bewusst zurückgelassen, und uns auf die wissenschaftliche Erforschung der Natur gestürzt. Es ist nun an der Zeit, dass wir auch den Menschen wissenschaftlich untersuchen, und das Wissen über uns selbst neu entdecken. Dabei geht es weniger um den physischen Aufbau unseres Körpers, und mehr um den Geist. Es macht uns nicht zufrieden zu wissen, aus welchen Partikeln unser Körper besteht. Das sagt uns nichts darüber, wer wir sind. Es geht darum, unsere Aufmerksamkeit nicht auf die sinnliche Wahrnehmung zu reduzieren, sondern wieder mehr uns selbst zu beobachten: unsere Gedanken, unsere Gefühle, unseren Willen. Viele Menschen werden heute vielleicht der Meinung sein, dass es hier nicht viel zu entdecken gibt, und dass dieses Gebiet mit der Psychologie hinreichend erfasst sei. Die Psychologie ist in der Tat ein guter Anfang für wissenschaftliche Forschung auf diesem Gebiet. Es sind bereits sehr viele wertvolle Beobachtungen gemacht worden, die allerdings kaum bekannt sind. Und es liegt noch ein langer Weg vor uns, es gibt noch viel zu entdecken.
Die Naturwissenschaft demonstriert ihren Bezug zur Wirklichkeit durch ihre Anwendbarkeit. Ich muss nicht verstehen, wie ein Flugzeug funktioniert, um damit an meinen Urlaubsort zu gelangen und zu erleben, dass es funktioniert. Ähnlich ist es bei der Geisteswissenschaft. Auch die Anwendbarkeit geisteswissenschaftlicher Ergebnisse kann ich erleben, ohne zu verstehen, warum sie funktionieren. Das ist heute schon möglich, denn es wurden durch einige Pioniere auf dem Gebiet bereits viele Ergebnisse geliefert. Noch besser ist es natürlich, wenn ein Interesse besteht, warum es funktioniert, und auch selbst geforscht wird. Wirklich lebendig wird die Geisteswissenschaft erst, wenn sich viele Menschen damit befassen, und ihre Begeisterung und ihre Ergebnisse in die Welt tragen.