Welche Ziele wir uns setzen, ist abhängig von unserer Weltanschauung, von unserem Selbstbewusstsein, von unserem Umfeld, von unseren Werten. Woher nehmen wir unsere Werte?
Unsere Werte schöpfen wir im Idealfall aus uns selbst. Sie können sich ableiten aus den Bedürfnissen und Gefühlen, die wir an uns selbst erleben. Viele dieser Bedürfnisse und Gefühle teilen wir mit anderen Menschen, einige sind auch sehr individuell. Das hängt von unserer persönlichen Entwicklung ab. Ein Modell, welches hier angewendet werden kann, ist die Bedürfnispyramide. Erfüllte Bedürfnisse treten in den Hintergrund und machen Platz für neue, höhere Bedürfnisse, die dann in der Vordergrund treten und unsere Werte beeinflussen.
Gefühle führen in der Regel zu den Werten, die wir am energischsten vertreten und verteidigen. Dabei folgt auf ein Gefühl meist auch ein Bedürfnis, welches dann die Werte prägt. So kann Angst ein Bedürfnis nach Sicherheit hervorrufen, wodurch ein Wunsch nach Vorhersagbarkeit, Stabilität, Konformität und Kontrolle entsteht. Das Bedürfnis nach Freiheit, Abenteuer und neuen Erfahrungen verkümmert und Menschen, die etwas anders machen wollen, erscheinen als Bedrohung. Gefühle haben einen starken Einfluss darauf, was wir wichtig und richtig finden. Ich habe diese Beispiel deshalb gewählt, weil es so prominent in unserer Gesellschaft vertreten ist, weil Angst exzessiv dafür genutzt wird, Bedürfnisse zu formen und Ziele durchzusetzen. Das Menschen so leicht verängstigt werden können, ist möglich, weil so viele Menschen ihre Orientierung über Vertrauenspersonen beziehen, die sie meist nie persönlich kennen gelernt haben. Weil sie selbst keine Orientierung haben und das Weltgeschehen nicht hinterfragen, während sie gleichzeitig glauben, es schon verstanden zu haben oder es nicht verstehen zu können.
Was bedeutet das nun für unsere Ziele? Bin ich verängstigt, ist mein Ziel vielleicht, hinter möglichst hohen Mauern möglichst lange ausharren zu können. Bin ich unerschrocken, ist mein Ziel vielleicht, möglichst viel von der Welt zu bereisen und zu sehen. Bin ich orientierungslos, ist mein Ziel vielleicht, mich möglichst gut anzupassen und stets so zu erscheinen, wie es die anderen tun und wie es erwartet wird.
Aber wie werde ich so wie ich bin? Durch meine Erfahrungen. Durch mein Weltbild, meine Glaubenssätze, meine Weltanschauung. Dadurch wird bestimmt, wie ich meine Wahrnehmungen verarbeite, wovon ich mich bedroht fühle, was ich als wichtig oder unwichtig beurteile. Meine Weltanschauung ist sehr wichtig für die Gefühle, die etwas in mir auslöst. Es ist immer sinnvoll zu fragen, wo ein Gefühl herkommt, warum es entstanden ist. Ansonsten verlieren wir die Kontrolle über unsere Gefühle, über unser Leben, über uns selbst.
Auch aus einem zunächst emotionslosen Denken lassen sich Werte gewinnen. Was keine Emotionen auslöst, hat jedoch meist auch keinen nennenswerten Einfluss auf unsere Entwicklung oder unsere Handlungen. Ein Motiv entsteht dann, wenn wir etwas zu uns in Bezug setzen, und das geht mit Gefühlen einher. Dennoch kann ein Versuch, unter möglichst vollständiger Selbstentäußerung Werte zu entwickeln, durchaus hilfreich und fruchtbar sein. Der Kategorische Imperativ ist ein Beispiel, der ein Wertesystem bieten möchte mit dem Anspruch, eine Gesellschaft zu ermöglichen, die auf jeden Menschen Rücksicht nimmt anstelle den persönlichen Nutzen jedes Einzelnen zu maximieren.
Wenn wir ein Ziel erreichen, haben wir die Chance, innezuhalten. Wir können schauen, ob das Erreichen des Ziels mit der erwarteten Belohnung einhergeht. Wir können einige Zeit warten und schauen, wie nachhaltig das Erreichen des Ziels unser Leben verändert hat. Es kann passieren, dass sich sehr wenig ändert, und wir uns nach dem Erreichen des Ziels einem fast identischen Ziel, diesmal mit größeren Zahlen, zuwenden. Dann sollte die Frage auftauchen, ob wir vielleicht eine ganz andere Art von Ziel anstreben sollten. Oft haben wir eigentlich die gleichen Ziele, wie Zufriedenheit, Anerkennung, Aufmerksamkeit, Bedeutsamkeit. Die heute angepriesenen Wege zu diesen Zielen führen meist zu abgeleiteten Zielen, die dann das Erreichen des eigentlichen Ziels bewirken oder nach sich ziehen sollen. Das passiert aber nicht. Wenn ich dann daraus folgere, dass mein Ziel einfach zu klein war, und es mit einem größeren Ziel bestimmt klappt, dann bin ich auf Irrwegen gefangen.
Wie gelangen wir zu einer Weltanschauung, die uns Orientierung gibt und uns ein Leben ermöglicht, wie wir es uns wünschen? Indem wir adoptierte Meinungen finden und hinterfragen. Indem wir uns Zeit nehmen, und auf ständige Ablenkung verzichten. Indem wir aufhören, fremde Ziele so energisch zu verfolgen, dass keine Zeit mehr bleibt für eigene Gedanken. Indem wir den Glauben überwinden, immer Vollgas geben zu müssen, um irgendwie über die Runden zu kommen. Indem wir unwichtige Dinge und unwichtigen Konsum erkennen und weglassen. Indem wir uns Zeit nehmen, unvoreingenommen zu beobachten, vor allem uns selbst beobachten. Indem wir uns Zeit nehmen, Dinge zu erkennen, vor allem uns selbst zu erkennen. In einer uns rätselhaften Welt finden wir keine Ziele.