Wo fühlen wir uns wohl? Wann wird Freiheit zur Belastung? Wie oft wollen wir Entscheidungen treffen müssen? Wenn ich mir irgendwo etwas zu Essen bestelle, dann empfinde ich zu viele Nachfragen, wie ich es gerne hätte, als störend und belastend. Ich will es so, wie der Koch es für gut befindet. Das wird schon passen. Und wenn nicht, überlege ich mir einen Wunsch für das nächste Mal. Es ist sicherlich individuell und situationsbedingt, wie viel und wie detailliert wir selbst entscheiden wollen. Als Gärtner überlegen wir uns, wohin welche Pflanze kommt. Vielleicht auch, wie groß sie werden soll. Nur wenige Gärtner werden aber versuchen der Pflanze vorzuschreiben, wie viele Blätter und wie viele Blüten sie an welcher Stelle ausbilden soll. Je größer unser Verantwortungsbereich, desto mehr Freiheit können und müssen wir den einzelnen Pflanzen geben.
Auch als Menschen befinden wir uns in der Obhut Anderer, ähnlich wie Pflanzen in einem Garten. Es hängt nun vom Individuum und auch vom Weltbild dieses Individuums ab, ob ein Mensch gerne mehr Verantwortung haben will als die Pflanze im Garten, und sich eher als Wildpflanze, als freies Wesen in der Natur oder in einer Gemeinschaft sieht, oder lieber weniger Verantwortung, vergleichbar zu einer Maschine in einer Fabrik, die nur funktionieren muss und im Problemfall von anderen Menschen oder Maschinen repariert wird. Was wir gemeinsam haben, ist das Bedürfnis nach einer Umgebung, die uns gibt, was wir brauchen. Im leeren Raum können wir nicht leben.
Wir sind also immer verbunden mit unserer Umgebung. Wir erhalten Licht und Wärme von der Sonne, unserem Stern. Wir erhalten Luft und Wasser von der Erde, unserem Planeten. Wir erhalten Nahrung von den Pflanzen und Tieren um uns herum. Und wir erhalten und geben Zuwendung und Aufgaben von und für Menschen um uns herum. Besonders diese letztgenannte Verbindung stellt uns immer wieder vor neue Herausforderungen. Es gibt heute so viel Ablenkung von, so viele Alternativen zu einem direkten Kontakt mit unseren Mitmenschen. Wir leben so dynamisch und flexibel wie nie zuvor, wechseln die Arbeit, den Wohnort, die Hobbies. Und selbst wenn wir bleiben, so wandern die Menschen um uns herum, und unsere Umgebung wandelt sich schneller als je zuvor. Wir interagieren mit und kommunizieren über Maschinen, und können uns versorgen lassen, ohne dafür mit irgendwem reden zu müssen. Wir können die Verbindung zur Umgebung auflösen, vereinzelt in einer sich stetig wandelnden Masse leben, selbst durch sie hindurch fließen, ohne irgendwo zu halten, Halt zu finden oder Halt zu geben. Wir sind dann in einem leeren Raum, zwar physisch versorgt, aber mental verlassen.
Dieser Lebensstil wird oft begleitet von neuen Ideologien und der Abwendung von alten Werten und Normen. Wir lassen unsere Vergangenheit zurück, denn sie scheint uns voller Mängel, voller Ungerechtigkeiten, und wir haben sie als ungeeignetes Vorbild für ein modernes Leben erlebt. Aber wonach streben wir eigentlich? Was erhoffen wir uns von den neuen Ideologien? Haben wir aus den altern Fehlern schon alles gelernt? Brauchen wir wirklich nichts von dem, was wir zurücklassen? Ist es schlau, alles auf den Kopf zu drehen?
Es ist ein schwieriger Schritt. Vieles ist falsch ausgelegt worden, egoistischen Interessen zum Opfer gefallen, dem Kampf um Geld und Macht geopfert worden. Die Werte und Normen der nahen Vergangenheit haben sich zum Teil weit entfernt von der Weisheit, die wir in alten Texten noch finden. Das Leben in der Gemeinschaft ist schwierig geworden. Das betrifft sowohl kleine Dörfer als auch große Städte, und auch alles dazwischen: Die Beziehungen zwischen den Menschen und der Menschen zu sich selbst befinden sich in einer Krise, in einer Zeit des Wandels. Wir wissen nicht, wer wir sind, woher wir kommen, oder wohin wir wollen, sind ohne Orientierung und unzufrieden, weil wir es nicht schaffen, das versprochene Glück zu erreichen. Dieser Konflikt in uns selbst bringt uns auch immer wieder in Konflikt mit anderen Menschen. Das Ergebnis sind Ablehnung, Feindseligkeiten und auch Kriege. Eine Zwischenlösung für manche ist die zunehmende Isolation, die auch durch die hohe Dynamik und das häufige Umziehen gefördert wird.
So geraten wir dann in diesen leeren Raum, fühlen uns nicht länger verbunden mit vielen anderen Menschen, mit der Gemeinschaft. Wir betrachten sie als etwas fremdes, von fremden Mächten dominiertes, das uns übermächtig gegenüber steht. Das Chaos in der Gesellschaft kann uns überwältigen und unserer Motivation berauben, die Dinge anzusprechen oder anzupacken, die uns stören. Das ist eine sinnvolle Schutzreaktion. Denn es ist anstrengend, anderer Meinung zu sein. Es ist anstrengend, wenn sich die Werte und das Weltbild der Gemeinschaft nicht decken mit der eigenen Überzeugung. Ideologien, die nicht zur Wirklichkeit passen, überzeugen immer nur einen Teil der Bevölkerung. Viele sind dadurch frustriert, und die Reaktionen sind unterschiedlich. Es kommt zu Unruhe und Spaltung, aber auch Protest und Vandalismus, was uns weiter belastet. In all diesem Lärm müssen wir es schaffen, Ruhe und Kraft zu finden. Wir müssen als freier Mensch selbst erkennen, was gut und richtig, was wahr und erstrebenswert, was schön und erfüllend ist. Und das mitten in einer so lauten Welt, voller Verlockungen, voller Lügen und voller Verirrungen. Das ist eine große Herausforderung, denn die Empfehlungen oder Ideologien der vorherrschenden, etablierten Strukturen führen häufig in die Irre. Sich ihnen anzuvertrauen ist möglich, führt aber nicht in die Freiheit. Den Weg in die Freiheit müssen wir selbst finden und gehen, wenn wir das wollen.